Der Koloss von Dessau
Letztes Update: 06.09.2019
Im Jahre 2008 planten zwei Berliner Projektentwickler im Dessauer Ortsteil Streetz den Bau einer 578 Meter hohen Pyramide als Begräbnisstätte zum Schnäppchenpreis von ca. 6 Millionen Euro. Bestehen sollte das Gebilde aus sogenannten Urnensteinen, welche nach und nach übereinander geschichtet werden sollten.
In Dessau gibt es kaum hohe Gebäude. Die Pyramide würde alles überragen…
Das Projekt wurde vom Ortschaftsrat abgelehnt, da die Pyramide einen Riesenschatten auf den Ortsteil werfen würde.
 
Der Koloss von Dessau
Quelle: http://www.tagesspiegel.de
 
In Sachsen-Anhalt ist ein gewaltiges Bauwerk geplant. Eine bis zu 600 Meter hohe Pyramide soll zur Stätte demokratischer Begräbniskultur werden. Jeder kann sich daran beteiligen - wenn er stirbt.

Über den flachen Feldern vor den Toren Dessaus in Sachsen-Anhalt soll sich eines Tages ein gewaltiges Bauwerk erheben. Eine bis zu 600 Meter hohe Pyramide - weit höher als einst die Zwillingstürme des World Trade Centers in New York - könnte dort entstehen. Jeder Bürger der Welt kann Teil des Bauwerks werden - wenn er stirbt. Die Pyramide, Inbegriff antiker Monumental-Architektur, soll zur Stätte demokratischer Begräbniskultur umfunktioniert werden: Jeder Stein eine Urne, Reservierung via Internet. Bleibt die Nachfrage gering, bleibt auch die Pyramide klein. Der niederländische Stararchitekt Rem Koolhaas fördert das Projekt - nun wird es als Teil des Architektur-Beitrags "Updating Germany" im deutschen Pavillon bei der bis 23. November laufenden Biennale in Venedig vorgestellt.

Zunächst wenig Begeisterung für das Projekt

Anwohner hatten sich allerdings bei einer ersten Präsentation des Plans vor einigen Monaten wenig begeistert gezeigt. Trotz der Aussicht auf Arbeitsplätze und Pyramiden-Tourismus protestierten sie gegen das "Massengrab". Doch die Befürworter der großen Pyramide geben nicht auf und suchen die Entscheidung im Stadtrat von Dessau. "Die Gründe für die Ablehnung waren bislang sehr irrational", sagt Stadtrat und Architekt Thomas Busch (Grüne). "Die Region kann es sich überhaupt nicht leisten, so eine Idee ziehen zu lassen." Für die Stadt, dank Bauhaus-Entwerfern wie Marcel Breuer und Walter Gropius weltbekannt, steht der Ruf als Design- und Architektur-Schmiede auf dem Spiel.

Kritiker sehen dagegen das Unesco-Welterbe "Gartenreich DessauWörlitz" in Gefahr - und die ländliche Idylle des Dörfchens Streetz, das als möglicher Standort im Fokus steht. "Das ist eine Idee, die spaltet", sagt ein Sprecher der Stadtverwaltung. "Ortschaftsrat und Hauptausschuss des Stadtrats waren dagegen."

Die Initiatoren, der Ökonom Jens Thiel und der Schriftsteller Ingo Niermann, halten an dem Standort noch fest, wollen ihre Idee aber nicht in den Feldern vor Dessau beerdigen, wenn die Lokalpolitik sie ablehnt. "Die Pyramide kann im Prinzip an jedem Ort der Welt entstehen", sagt Thiel. Schließlich habe der Plan bereits weltweit Interesse geweckt. Angehörige aller Nationen und Religionen sollen friedlich nebeneinander Teil des möglicherweise größten Bauwerks der Menschheit werden können, verspricht die Internetseite"thegreatpyramid.org".

Geld verdienen mit Toten

Die Bundeskulturstiftung hat das Projekt als Simulation gefördert, aus der nun Realität werden könnte. Renommierte Architekten beteiligten sich mit Entwürfen an dem Vorhaben, mit Millionen Toten in Ostdeutschland letztlich auch Geld zu verdienen. Der Bundesverband Deutscher Bestatter in Düsseldorf hält die Idee rechtlich für machbar: "Das ist eine Gemeinschafts-Grabanlage wie andere auch und Ausdruck einer immer individuelleren Beisetzungskultur. Wenn die Kommune als Friedhofsträger das zulässt, geht das", sagt Verbands-Geschäftsführer Rolf Lichtner.

Um Ängste abzubauen, planen die Pyramiden-Freunde nun den Bau eines Modells - "rund 15 bis 18 Meter hoch". Initiator Thiel räumt ein, dass die Furcht vor der schieren Größe des Bauwerks ein Grund für die Ressentiments sein könnte und stapelt eine Nummer tiefer: "Bei fünf Millionen Urnen wäre die Pyramide 150 Meter hoch" - und damit immerhin noch etwas kleiner als der Kölner Dom. Aber auch fünf Millionen Urnen seien "eine hypothetische Zahl, die allenfalls in 20 bis 30 Jahren erreicht sein könnte". Bislang haben 1400 Menschen aus 80 Staaten Interesse daran bekundet, ihre letzte Ruhestätte in einer Pyramide in Sachsen-Anhalt zu suchen.

Quelle: Quelle: http://www.tagesspiegel.de vom 22.09.2008

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