Die Sage vom Krötenring I
Letztes Update: 06.09.2019
Vorwort:

Als Krötenring wird auch eine Niesche im Ratskeller bezeichnet. In einer ehemaligen Wandmalerei war die alte Sage vom Krötenring poetisch dargestellt.
Die Glasfenster zeigen die Entstehung des Krötenringes und wie die Erdgeister eifrig damit beschäftigt sind, das goldige Erz zu gewinnen, zu schmelzen und den Ring zu schaffen.

 

Unter den Kostbarkeiten, die das herzogliche Haus Anhalt von seinen Vorfahren her besitzt, befindet sich ein seltsamer Ring. Er ist von feinem blassen Golde und mit Diamanten geziert. Niemand weiß, wer ihn angefertigt und wer ihn getragen hat. Eine Fürstin von früher muß es gewesen sein, denn der Ring ist ein Damenring. Er ist auch nicht ringsum geschlossen, wie die Ringe heute alle sind, vielmehr unten offen. Das ist auch ein Zeichen seines hohen Alters. Er wird der Krötenring genannt. Die Sage ist es, der er diesen Namen verdankt. Und diese Sage erzählt folgendes:

Vor alten Zeiten lebte in Dessau eine Fürstin, die war so gütig und mildtätigen Herzens, daß sie nur immer darauf bedacht war, den Menschen, die es nötig hatten, Gutes zu erweisen. Wer von den Untertanen Not litt oder Sorgen hatte, kam zu ihr, und wenn sie irgend konnte half sie mit ihrem Rat und ihren Gaben. Wie für die Menschen, Brocken unt Brotsamen, die beim Essen abfielen, nicht achtlos beiseite, sondern strich sie fein sorgsam auf dem Mundtuche zusammen und schüttet sie vor das Fenster. auf daß die Vögel davon Speise hätten. Das tat sie jeden Tag und freute sich, wenn es den kleinen Sängern oder auch den nitznutzigen Spatzen schmeckte. Eines Tages sah sie nun, wie eine große Kröte schwerfällig auf dem Boden dahinkroch, unter dem Fenster der Fürstin stille hielt und von den Brotsamen, die auf die Erde gefallen waren, nahm. Von da ab kam das Tier jeden Tag, lange Zeit hindurch.

In einer Nacht nun lag die Fürstin zu Bett und konnte nicht schlafen. Da stand mit einem Male einde fremde Frauensperson mit einer Laterne in der Hand vor ihrem Lager. Wie sie hereingekommen, war ganz rätselhaft. Die Fürstin erschrak zuerst sehr, aber die Fremde sagte, sie möge sich nicht sorgen, sie habe nichts böses im Sinne. Ihre Frau Kröte habe sie gesandt, um der Fürstin für die Brocken Brotes zu danken, die sie unter dem Fenster des Schlosses erhalten habe, und schicke ihr aus dankbarer Erkenntnis einen Ring. Diesen möge die Fürstin aber wohl verwahren und dafür Sorge tragen,daß er immerdar im fürstlichen Hause bleibe. Solange dies gehalten werde, solle es den im Schlosse Wohnenden vom Stamme des Hauses Anhalt wohlergehen und der Stamm werde nicht aussterben. IN der Christnacht aber solle man im Schlosse fleißig aufsicht auf das Feuer haben, weil sonst in einer solchen heiligen Nacht das Schloß leicht in Brand geraten und ganz und gar abbrennen könnte. Damit verschwand die Frauensperson so geheimnisvoll, wie sie gekommen war, und die Kröte wurde von da an nicht wieder unter dem Fenster gesehen.

Quelle:
Heese, Bernhard (Herausgeber)
Anhaltisches Sagen- und Geschichtenbuch
Reprint der Ausgabe Dessau, Heimatbücher, 1925
Dessau, Anhaltische Verlagsgesell, 1991

 

Die Sage vom Krötenring II

Die Fürstin, der der ring zum Geschenk gemacht wurde, lag eines Nachts zu Bette und konnte nicht schlafen. Da kam eine Frauensperson mit einer Laterne vor ihr Lager und bat sie sehr höflich undf flehend, sie möge doch aufstehen und mit ihr kommen. Denn Ihre Frau liege in Kindesnöten schwer danieder und könne nicht entbinden, wenn die Fürstin ihr nicht mit ihrem Trostspruch zur Seite stehe. Die Fürstin mochte sich zwar erst nicht auf dieses seltsame Abenteuer einlassen, aber die Frauensperson, die eine Wendin aus einem der an der Mulde gelegenen kleinen Dörfer zu sein schien, bat so flehentlich und versicherte immer wieder, daß die Fürstin ohne alle Fährnisse hin und zurück geleitet werden würde, daß sie sich endlich erhob, ankleidete und mit der Wendin ging. Sie stiegen zuerst in den Keller des Schlosses hinab und kamen vor eine für gewöhnlich verschlossene, alte Tür. Die Führerin öffnete sie ohne Mühe, und ein feuchter, dunkler Gang wurde sichtbar. Die Frau mit der Laterne stieg ein paar Stufen hinab und bat die Fürstin, ihr unverzagt zu folgen. Wohl graute es der Dame, aber sie überwand sich und schritt beherzt der Fremden nach. In dem Gange lebte es von Schlangen, Molchen und anderen scheußlichen Nachtgetier. Von den Wänden rann das Wasser, und die Luft war feuchtkalt und drückend, daß die Fürstin erst meinte, sie müsse ersticken. Doch sie ging mutig weiter. Da hörte sie über sich das Wasser des Wehrs brausen und die Räder der Mühle knirschen und in das Wasser schlagen. Sie ging also unter der Mulde und der Mühle durch. Dann steig der grauenvolle Pfad, die Luft wurde freier und in einem dichtem Gebüsch in der jenseitgen Muldaue kamen sie wieder an die freie Luft. Das tat der Fürstin wohl, und wenn sie sich auch fröstelnd in ihren Mantel hüllte, schritt sie doch rüstig aus, immer hinter der Führerin her, um so blad als möglich ans Ziel zu kommen.

Durch Auen und Wiesen ging es in der dunklen und stürmischen Nacht, bis sie endlich vor einem kleinen Fischerhause am Ufer der Mulde bei Kleutsch standen. Dort hielt die Führerin an und bat die Fürstin, einzutreten. Die Fürstin tat dies und fand, wie die Wendin gesagt hatte, eine Frau in Kindesnöten. Die Fürstin, in allen Diensten der Nächstenliebe erfahren, half ihr getreulich und wurde dann von der Wendin, die sie geholt hatte, auf dem gleichen Wege ohne alle Fährnis wieder in ihr Gemach geleitet. In einer der folgenden Nächte kam die Frauensperson mit der Laterne abermals an das Bett der Fürstin, dankte namens ihrer Frau vielmals für das, was die Fürstin an ihr getan, und übergab ihr als Zeichen ihrer tiefen Dankbarkeit den Ring, wobei sie hinsichtlich der Bedeutung desselben und der Feuerbewahrung das gleiche sagte, was schon aus der zuerst erzählten Form der Sage bekannt ist.

Wie es die Geberin geheißen, so wurde der Ring immerdar sehr sorgsam aufbewahrt. Als er einmal für kurze Zeit in Verlust gekommen war, soll es der Sage nach in der Tat zu einem Unglück geführt haben.
Auch wurden von da ab an jedem Weihnachtsabend alle Feuer im Schlosse gelöscht, und der Hausmeister musste durch alle Räume Rundgang halten, auf daß dem Schlosse kein Brandschaden zustoße. Daran hat man hundert Jahre und mehr festgehalten.

Quelle:
Heese, Bernhard (Herausgeber)
Anhaltisches Sagen- und Geschichtenbuch
Reprint der Ausgabe Dessau, Heimatbücher, 1925
Dessau, Anhaltische Verlagsgesell, 1991

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