Mitteldeutsche
Zeitung - Mittwoch, 12. September 2001
EINZELHANDEL
Kein Urlaub seit 10 Jahren
Hausmann hat Optimismus verloren -
Drogerie schließt wohl in wenigen Monaten
Von Caroline Franke
Dessau/MZ.
Seit früh um sieben Uhr steht Manfred Hausmann hinter seinem Ladentisch
in der gleichnamigen Drogerie in der Törtener Straße. Morgens
kommen immer ein paar Kinder und kaufen Süßigkeiten für
die Schule. Später wird es dann weniger, nur vereinzelt betreten
Kunden den kleinen Laden, kaufen eine Zeitschrift oder Bier. Sie gehören
gewissermaßen zum Kundenstamm und Hausmann ist froh, dass sie ihr
Geld noch zu ihm tragen. Denn seit vor einem Jahr eine Drogeriemarktfiliale
in der Ackerstraße eröffnet hat, sieht der Drogist schwarz
für sein Geschäft.
Als Hausmann vor zehn Jahren, wie er sagt, die erste privat geführte
Drogerie in der Bauhausstadt eröffnete, hätte er nicht gedacht,
wie sich die Sache einmal entwickelt. "Wir waren in vielen Dingen
was ganz Besonderes. So hatten wir zirka 100 Mustertapeten zur Auswahl.
Das war einmalig in Dessau", erinnert er sich. Die Kunden wären
immer zufrieden gewesen, dankten es dem Geschäftsmann mit Treue.
"Wir haben gekauft, was der Kunde verlangte. Und das wusste dieser
zu schätzen", erzählt Manfred Hausmann. Das Sortiment auf
den über 100 Quadratmetern Verkaufsfläche war breit gefächert.
Von Kosmetikartikeln über Pharmazeutika bis hin zu Farben und Lacken
hatte der Drogist alles zu bieten. "Wir hatten drei Lackierer zur
Hand. Der Kunde konnte einen Lack kaufen und gleich sein Auto lackieren
lassen. Wir hatten auf acht Metern Autolacke, da gab es nur vier Verkaufsstellen
in ganz Dessau", sagt Hausmann stolz.
Doch die Zeiten änderten sich für den ehemaligen Konsum-Mitarbeiter.
Nach der Wende eröffneten Drogerieketten ihre Filialen, die Produkte
preiswerter verkaufen konnten. Hausmann: "Ich habe eben nur zehn
Haarfärbungen bestellt, die Ketten kaufen Massen auf, erhalten Mengenrabatte
und können die Ware günstiger anbieten." Die Kunden hat
das nicht interessiert. Von dem geringen Umsatz, den der Drogist nur noch
verbuchte, konnte er die Miete nicht mehr bezahlen, musste seine Angestellten
entlassen.
So gab der jetzt 60-Jährige sein Eckgeschäft auf und zog in
eine Hausdurchfahrt wenige Meter von seinem alten Laden entfernt. Den
Laden wollte Hausmann an seine Kinder weitergeben. Sein Sohn kam 1999
extra nach Dessau zurück. "Sechs Lehrlinge hatten wir, darunter
auch meine Tochter Susanne. "Eine Zukunft wollte er ihnen bieten,
doch nun glaubt Hausmann nicht mal mehr daran, den Laden allein über
die Runden bringen zu können. Im ehemaligen Geschäft wird nun
Obst und Gemüse verkauft. Er selbst zahlt Miete für seinen engen
Verkaufsraum.
Seine Stammkunden kommen nach wie vor. Doch kann Hausmann von dem Erlös
nicht mehr leben. "Zu DDR-Zeiten war alles leichter, da gab es Einheitspreise
für die Waren und man konnte die Käufer mit Kompetenz und Freundlichkeit
überzeugen", zieht er seine ganz persönliche Bilanz. "Heute
geht das nicht mehr. Da bietet jeder jedes und es dreht sich nur noch
um den Preis." Auch für die kleinen Gespräche über
den Ladentisch haben die wenigsten noch Zeit. Die Kunden, die diesen zwischenmenschlichen
Service zu schätzen wussten, wohnen nun auch nicht mehr dort. Der
Leerstand im Stadtgebiet rund um die Ackerstraße ist enorm gestiegen.
Viele seiner ehemaligen Kunden sind schon alt, können oft nicht mehr
auf die Straße oder sind in seniorenfreundliche Blocks umgezogen.
Der Drogist liefert ihnen die Waren nach Hause. "Das ist nur ein
Bruchteil von dem, was ich verdienen müsste, damit es sich leben
lässt. Die jungen Leute gehen im Zentrum einkaufen."
Hausmann sieht für sein Geschäft keine Chance mehr. Am 31. Dezember
dieses Jahres wird der Geschäftsmann wohl die Türen endgültig
schließen. Für die Rente ist er dann allerdings noch zu jung.
Erst mit 63 Jahren, so ist es vertraglich geregelt, darf der Senior in
den Ruhestand gehen.
Wie es weitergehen soll, weiß er nicht. "Wir können nicht
mal in den Urlaub fahren", sagt er. "Zum Sparen war ja nie was
übrig. "Seit zehn Jahren konnten sich die Hausmanns dieses Vergnügen
nicht mehr gönnen. Doch verbittert ist Manfred Hausmann nicht. "Wir
sind in einer Zeit aufgewachsen, in der wir gelernt haben sparsam zu sein.
Ich kenne es ja nicht anders."
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