Auch eine Glocke geht einmal kaputt.
Diese finanziell recht kostspielige Feststellung mußten wir im Sommer
des letzten Jahres machen.
Die Rede ist hier von "Maria", unserer größten Glocke
und jene mit der tiefsten "Stimme".
Als nun die Monteure bei der fälligen Revision zu demselben Ergebnis
kamen, mußten wir dieser Situation ins Augen sehen und eine Entscheidung
treffen: Die Reparatur war unumgänglich, ansonsten würden wir
die "Maria" über kurz oder lang nicht mehr nutzen können.
Eigentlich war ja auch nicht die Glocke selbst kaputt, noch nicht. Vielmehr
befindet sich im Klöppel jeder Glocke ein eingelassener Bolzen aus
Bronze. Da unsere Glocken aus Stahlguß sind, verbessert dieser Bolzen
zu einem den Klang, zum anderen wird aber auch durch das weichere Material
die Glocke geschont. Außerdem hat ein solcher Klöppel diverse
Gegengewichte und Gelenke. Die Gelenke jedenfalls unterliegen, wie beim
Menschen auch, einem gewissen Verschleiß. Und wie beim Menschen auch,
kann und muß ein solches kaputtes Gelenk ersetzt werden um Folgeschäden
zu vermeiden.
Das daraufhin eingegangene Kostenangebot in Höhe von ca. € 1900,00
übertraf allerdings unsere Vorstellungen.
Glockenchronik
Nach Fertigstellung der Kirche im Jahre 1858 hatte unsere Kirche zunächst
3 Glocken.
1. Glocke Ton:
"fis"
Gewicht: 658 kg
Durchmesser: 103 cm
Inschriften: lateinisch
"Als Pius IX Papst war, schenkte der Anhaltinische Herzog Leopold
Friedrich Bronze als Almosen an den Erbauer Pfarrer F. X. Küstner
zu Ehren der Apostelfürsten."
"Alles zur größeren Ehre Gottes"
"Im Jahre des Herrn 1858"
"Die Toten beklage ich."
2. Glocke Ton: "b"
Gewicht: 450 kg
Durchmesser: 90 cm
Inschriften: lateinisch
"Die Lebenden rufe ich. Zu Ehren des Völkerapostels freut euch
stets im Herrn"
3. Glocke Ton: "cis"
Gewicht: 210 kg
Durchmesser: 71 cm
Inschriften: lateinisch
"Zu Ehren der Gottesmutter, sei gegrüßt, voll der Gnaden."
"Gott lobe ich"
"Grosse - Dresden 1858"
Während des 1. Weltkrieges,
am 30.06.1917, wurden die beiden großen Glocken für Rüstungszwecke
eingezogen und zerschlagen. Nur die dritte und kleinste Glocke durfte
unsere Kirche behalten.
Am 07.09.1924 erfolgte die Benediktion (Weihe) der drei neuen Glocken,
gefertigt von der Firma Ullrich aus Apolda, durch Dechant Aloys Kroll
(1921 - 1944 Pfarrer in Dessau). Aus den Unterlagen unseres Kirchenarchives
geht leider nicht hervor, wie diese Glocken im Jahre 1924 finanziert wurden
und ob Spenden dafür Verwendung fanden.
Dazu erreichte uns am 14.12.2005 ein interessantes Schreiben von Herrn
Dr. Hans Heimann aus Lörrach. Dieser führt aus, daß sein
Vater, Herr Dr. Heinrich Heimann, im Jahre 1924 die kleine Bronzeglocke
gestiftet hat und sich außerdem eine entsprechende Inschrift in
der Glocke befunden habe. Er selbst sei als "zwölfjähriger
Bub" bei der Weihe zugegen gewesen. Dies läßt sich, wie
bereits erwähnt, leider nicht (mehr) durch Urkunden belegen. Belegen
lassen sich dagegen aber die vielen, großherzigen Spenden durch
Herrn Dr. Hans Heimann in den letzten Jahren, seit 1993 ca. 24.000,00
DM. Mit diesem Geld wollte er, in der Nachfolge seines Vaters, die im
Feuersturm geschmolzene Glocke neu spenden. Als Gemeinde sind wir Herrn
Dr. Heimann bleibend zu Dank verpflichtet. Gott möge es ihm vergelten.
Folgende Glocken wurden im Jahre 1924 geweiht:
1. Glocke Ton: "f"
Gewicht: 700 kg, Durchmesser: 120 cm, Inschriften: lateinisch,
"Zu Ehren der Apostelfürsten Wachet", "Im Jahr des
Herrn 1924", "Die Toten beklage ich"
2. Glocke Ton: "as"
Gewicht: 350 kg, Durchmesser: 100 cm, Inschriften: lateinisch,
"Zu Ehren des Apostels Paulus freuet euch im Herrn", "Im
Jahr des Herrn 1924", "Die Lebenden rufe ich"
3. Glocke Ton: "b"
Gewicht: unbekannt, Durchmesser: unbekannt, Inschriften: lateinisch,
"O meine Mutter, gedenke meiner"
Während des 2. Weltkrieges, am 05.12.1941, wurden wiederum die beiden
großen Glocken zu Rüstungszwecken eingezogen.
Die dritte, verbliebene Glocke wurde am 07.03.1945 beim großen Fliegerangriff
auf Dessau zerstört. Sie schmolz im Feuersturm.
Am 21.06.1956 erfolgte die Benediktion (Weihe) unserer jetzigen Glocken.
Dieses Mal durften es 4 Stück sein:
1. Glocke Ton: "fis"
Gewicht: 1300 kg, Durchmesser: 147 cm, Inschriften: lateinisch,
"Heilige Maria", "Hochpreiset meine Seele den Herrn"
2. Glocke Ton: "a"
Gewicht: 760 kg, Durchmesser: 122 cm, Inschriften: lateinisch,
"Heiliger Michael", "Verzeih, Herr unser Gott, der du das
Buch öffnest"
3. Glocke Ton: "h"
Gewicht: 500 kg
Durchmesser: 108 cm, Inschriften: lateinisch, "Heiliger Petrus",
"Einmütig haltet alle den Herrn Christus heilig"
4. Glocke Ton: "cis"
Gewicht: 360 kg, Durchmesser: 96 cm, Inschriften: lateinisch,
"Heiliger Paulus", "Ihr seid der Leib Christi und jeder
einzelne ist ein Glied an ihm"
Unser Kirchturm ist mit 2 Glockenstuben ausgestattet. Die heutigen Glocken
befinden sich alle 4 in der unteren der beiden. Ob und zu welcher Zeit
auch die obere Glockenstube bestückt war, läßt sich leider
nicht mehr nachvollziehen. Fest dürfte allerdings stehen, daß
auch die obere Glockenstube früher einmal genutzt wurde.
Quelle (Daten und Inschriften): Kirchenarchiv, "Kleiner Bilderbogen..."
Definition Glocke
Überdimensionale umgedrehte Eimer aus einer kunstvollen, aufwendigen
und teuren Metallegierung, die mit der Öffnung nach unten in den
Kirchturm gehängt - mittels eines ebenso riesigen Eisenstabes einen
Heidenlärm verursachen können. Der den Heiden aber was "künden"
soll. Sonntags den Beginn des Gottesdienstes oder dessen Ende. Werktags
"kündet" der Lärm einer Glocke zum Beispiel einem
ganzen Stadtteil, daß es 5.50 Uhr ist und Zeit zur Frühmesse
aufzubrechen...
... Nur wenige Kulturbeflissene wissen noch rein vom Klang her das "Mittagsläuten"
vom "Angelusläuten" oder "Paternosterläuten"
zu unterscheiden. Weshalb es dem jungen Paar und Freunden auch nichts
ausmachte, als zu Beginn einer Hochzeit das Totenglöckchen gebimmelt.
(aus - "Das frommdeutsche Wörterbuch")
Axel Hausmann
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