Von der Schule zum Gemeindezentrum | |
Letztes Update: 06.09.2019 | |
Beilage zum Pfarrbrief | |
Vorwort Vermutlich seit 1824 hatten die katholischen Geistlichen ihre Dienstwohnungen im Amalienstift in der damaligen Poststraße 606. Das ist in etwa das Gelände zwischen der heutigen Stadtsparkasse und der Zerbster Straße in Höhe des Kristallpalastes. Hier befand sich bis zur Fertigstellung unserer Kirche nicht nur ein Betsaal, sondern auch eine katholische Privatschule im Turm der Kirche St. Franciscus. Der Gründer Auch Pfarrer Dr. theol. Franz Xaver Küstner hatte im Jahre 1858 seine Wohnung in besagtem Gebäude. Im August 1836 stellte er einen Antrag an das Staatsministerium auf Errichtung einer katholischen Schule. Dazu wollte er das ungenutzte Erdgeschoß des Kirchturmes der St. Franciscus Kirche im Amalienstift ausbauen lassen, welcher in früherer Zeit ein Wachturm der Stadtmauer war. 1936 nahmen bereits 23 Kinder am Religionsunterricht teil, welcher im Wohnzimmer der Pfarrhaushälterin abgehalten wurde. Der Antrag von 1836 war allerdings ebenso erfolglos, wie die folgenden Anträge bis zum Jahre 1844. Erst jetzt hatte Dr. Küstner Erfolg und richtete seine katholische Privatpfarrschule ein. Der erste Lehrer war ein Herr Bollen, der vermutlich im Jahre 1856 angestellt wurde. Für den gesamten Unterhalt der Schule mußte die katholische Gemeinde aufkommen. Das Staatsministerium duldete die Anstalt "stillschweigend". Im Jahre 1849 bat Lehrer Bollen um die Gleichstellung der katholischen Schule, da die Gleichberechtigung der Konfessionen in der Verfassung von 1848 festgelegt worden war. Da die Regierung vermutete, daß dadurch die Besoldung der Lehrer durch die Staatskasse erreicht werden sollte, wurde dieser Bitte nicht nachgekommen und eine Gleichstellung von Privat- und Staatsschulen fand nicht statt. 10 Jahre später kam es erneut zu Verhandlungen mit der Landesregierung, jetzt geführt von Pfarrer Dr. Küstner. Nun forderte die Landesregierung ihrerseits aber eine staatliche Aufsicht über die Schule. Dr. Küstner lehnte dies solange ab, bis mit der Schließung der Schule gedroht wurde. Der erste Umzug Am 24.07.1859 wurde die Schule in das Erdgeschoß des neugebauten Pfarrhauses von St. Peter und Paul verlegt. Dr. Küstner erhielt seine Anerkennung als Schulinspektor. In den ersten Jahren besuchten etwa 20 Schüler die Privatschule. Mit der Ausdehnung der katholischen Gemeinde um das Jahr 1870 wuchs auch die Anzahl der Schüler. 1882 kamen etwa 50, 1900 bereits 200 Kinder in die katholische Schule. Ab ca. 1900 standen den Schülern 2 Lehrer sowie eine Lehrerin zur Verfügung. Alle anhaltischen Schulen wurden nicht kommunalisiert, erhielten aber trotzdem fortlaufend staatliche Zuschüsse. Seit 1894 gab es einen Gehaltszuschuß für das Lehrpersonal der katholischen Schule. Der zweite Umzug Im Jahre 1882 wurde die Schule in das ehemalige Gesindehaus (Scheune) von Ökonom Schwarzkopf verlegt. Dieses Gebäude befand sich auf dem gleichen Gelände wie das des heutigen Gemeindehauses, allerdings weiter nördlich, fast auf der Höhe des Altares von St. Peter und Paul. In östlicher Richtung stieß es fast an das Pfarrhaus an. Der Zugang erfolgte von der Teichstraße her, durch ein morsches Holztor und über einen kleinen schmutzigen Hinterhof mit verschiedenen Holzställen und Kohleschuppen. Beim Bau der Kirche 1854/58 war dieses Gebäude stehen geblieben. Im selben Haus war zu dieser Zeit auch eine Wohnung für den Lehrer sowie für den Küster der Kirche untergebracht. Der Neubau 1882 wurde selbst dieses Gebäude für die gewachsene Schülerzahl zu klein. Allerdings lehnte die Regierung den Abbruch des Hauses zunächst ab. Als Übergangslösung wurde die Wohnung des Küsters für Schulzwecke umgebaut. Dieses Provisorium hatte dann bis zum Jahre 1908 bestand. Nun mußte das alte Gebäude aber abgerissen werden, da es nun auch der Kirchenerweiterung im Wege stand. In der Zeit vom 12.02.1908 bis 31.03.1909 fand die katholische Schule in den Räumen des Schulgebäudes Franz- / Ecke Raumerstraße ihr zeitweiliges zuhause. Sofort nach dem Umzug der Kinder begannen die Bauarbeiten. Interessanterweise verkaufte man das alte Schulgebäude für 600 Mark an den Maurermeister Erhard. Vermutlich wurden die Klinker als Rohstoff wiederverwendet. Am 19.03.1908 konnte bereits mit dem Neubau der Schule begonnen werden. Beim Neubau der Schule mußte der Hofausgang des Pfarrhauses von der Hinterseite an die nördliche Seite verlegt werden. Das neue Schulhaus wurde nun direkt an der Teichstraße gebaut und stand fortan in einer Linie mit dem Pfarrhaus, der Kaplanei (heute Vikarie) und dem Krankenhaus St. Joseph, welches am 21. März 1907 eingeweiht wurde. Die Baupläne für die Schule stammten vom Architekten Daniel Schultz aus Dessau. Die Bauausführung übernahm der bereits genannte Maurermeister Erhard. Zwischen Schulgebäude und Neubau der Kirche entstand zu dieser Zeit ein Spielplatz. Als am 15.07.1908 mit dem Abriß des alten Chores mit dem Umbau der Kirche begonnen wurde, konnten Sonn- und Feiertagsgottesdienste bereits im neuen Schulhaus gehalten werden. Die Einweihung der neuen Schule erfolgte am 27.03.1909 und seit dem Ende der Osterferien am 16.04.1909 wurde das Schulhaus wieder von Kindern bevölkert. Auch damals: Verwaltungsprobleme Bereits im Jahre 1912 versuchte der liberale Landtagsabgeordnete Fiedler einen Vorstoß gegen die katholischen Schulen. Dies war der erste Versuch zur Verstaatlichung der privaten konfessionellen Schulen. Die Unzufriedenheit der Lehrer nahm immer mehr zu, da ihre Gehälter wohl mit staatlichen Mitteln bezuschußt wurden, ein Pensionsanspruch aber nicht vorgesehen war. Verheiratete Lehrer wurden auf Kosten des Bonifatiusvereins fortan in der "Witwen- Waisen- und Sterbekasse" der Provinz Westfalen versichert. Zudem erklärte sich der Bischof bereit, eine Pension für die Lehrkräfte der katholischen Schulen zu zahlen. Im Jahre 1918 drängt die Lehrerschaft unter ihrem Vorsitzenden Lehrer Röber erneut auf eine Verstaatlichung, "da der Bestand der katholischen Schulen gefährdet sei". 1919 wurde ein Schulausschuß gebildet, welcher sich für die Lehrer einsetzte. Unter Dechant Dane als Vorsitzenden konnten beim Generalvikariat Verbesserungen für die Lehrer erreicht werden. So sollten Lehrer an katholischen Schulen ohne staatliche Anerkennung dieselben Einkommens- und Pensionsansprüche erhalten, wie die Lehrkräfte an anerkannten Schulen. Das vorübergehende Aus Mit dem Schreiben vom 20.07.1938 teilte das Anhaltische Staatsministerium, Abteilung Volksbildung, Herrn Dechant A. Kroll mit, daß nach dem Reichsschulgesetz keine Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung von privaten konfessionellen Schulen bestehen würde. Es wurde angeordnet, daß die Schule bis zum 31.03.1939 geschlossen wird und daß die Schüler in eine Gemeinschaftsschule (Volksschule) zu überführen sind. Die Lehrkräfte erhielten die Möglichkeit, sich in den Staatsdienst übernehmen zu lassen. Die katholische Privatschule wurde somit am 01.04.1939 aufgelöst. Nach der Schließung der Schule wurden die Räume zum Teil "anderen nichtkirchlichen Zwecken zugeführt". Welche dies im Detail waren, wurde nicht vermerkt. Neuanfang I Nach dem Krieg war an eine Wiedereröffnung der Schule nicht zu denken, sodaß 4 Klassenräume und ein Lehrerzimmer an die Stadt Dessau vermietet wurden. Der Mangel an Schulen war groß und so veranlaßte die Stadt auch die notwendigen Reparaturen. So wurden vom 01.01.1946 bis Juli 1979 (01.04.1978) die Klassenräume von der Polytechnischen Oberschule "Käthe Kollwitz" in der Flössergasse benutzt. Nach der Rückgabe der Räume wurde die Schule seit 1979 wieder für kirchliche Zwecke genutzt. So konnte ein Teil der Räume von den Jugendlichen genutzt werden, für den Religionsunterricht und für den Kirchenchor stand ebenfalls ein Raum bereit, was aber aufgrund des Zustandes nicht immer eine Freude war. Aufgrund des äußerst desolaten Zustandes des gesamten Gebäudes wurde seit Jahren über eine neue Zweckbestimmung der Schule als Gemeindezentrum nachgedacht. Jedoch fehlten zunächst die nötigen finanziellen Mittel für eine entsprechende Renovierung. Erst im Jahre 2005 konnten die Arbeiten unter Propst Dr. Nachtwei mit finanzieller Unterstützung des Bonifatiuswerkes in Angriff genommen werden. Die Komplettrenovierung der Schule ging mit einer Neugestaltung des gesamten Hofgeländes einher. Mit einigen freiwilligen Helfern wurde zunächst das Hofgelände von den alten Gebäuden (Toilettenhäuschen, Garagen) und Mauern befreit und anschließend nahm man sich der Entkernung des Schulgebäudes an. Der eigentliche Umbau lag dann in den Händen von Fachfirmen und ist aber leider bis heute noch nicht vollständig abgeschlossen. Neuanfang II Die katholische Schule in Dessau befindet sich seit 1. September 1991 in der ehemaligen 4. POS in der Teichstraße. Das Bistum Magdeburg gründete diese Bildungseinrichtung als eine auf der Frohen Botschaft basierenden Schule "um Gottes und der Menschen willen". Das Gebäude wurde 1876 erbaut und 1903/04 umgebaut. Um die Schule auf den neuesten Stand zu bringen sowie die wachsenden Schülerzahlen verkraften zu können, wurde sie von 2001 - 2003 um einen modernen Anbau sowie eine 3fach Turnhalle erweitert. Die Verbindung von alten und neuen Gebäudebestandteilen erscheint harmonisch und reizvoll. Seither ist sie als Bischöfliches Liborius Gymnasium weit über die Stadtgrenzen Dessaus bekannt. Getragen wird das Gymnasium seit einigen Jahren durch die Edith Stein Stiftung im Bistum Magdeburg. Sonderfall: Kleinkindschule Neben der Schule wurde im Jahre 1905 die "Kleinkinder Bewahrschule" gegründet. Dazu wurden die Räume der Lehrerwohnung umgebaut. 1908 besuchten diese Schule bereits 52 Kinder. Später ging die Kleinkindschule im katholischen Kindergarten auf. Zusammengetragen und aufgeschrieben von Axel
Hausmann |
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